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Die Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland 2000“, die im Auftrag des Umweltbundesamtes von Prof. Dr. Udo Kuckarts (Uni Marburg) in Kooperation mit dem EMNID-Institut (Bielefeld) durchgeführt wurde, bildet die Grundlage für die nachfolgenden Betrachtungen. An ihr sollen exemplarisch die Mängel und Oberflächlichkeit sozialwissenschaftlicher Untersuchungen zum Thema Umweltbewusstsein beleuchtet werden. Die Studie basiert auf  2018 mündlichen Interviews, die im Januar und Februar 2000 mit Bundesbürgern aus allen Teilen Deutschlands zu den Aspekten Einstellung zum Umweltschutz, Wahrnehmung der Umweltqualität, Bewertung der Umweltpolitik, persönliches Umweltverhalten, Verkehr/Mobilität, Umwelt und Gesundheit, Konzept „Nachhaltige Entwicklung“ sowie Risikowahrnehmung und Zukunftsszenarien geführt wurden.

Mit den Fragen „Was glauben Sie, ist das wichtigste Problem, dem sich unser Land heute gegenüber sieht?“ (Offene Frage mit maximal zwei möglichen Nennungen) und der Aufforderung: Ich lese Ihnen nun verschiedene politische Aufgabenbereiche vor. Bitte sagen Sie mir jeweils, ob sie persönlich die Aufgabe - die Arbeitslosigkeit bekämpfen - die Renten sichern - für soziale Gerechtigkeit sorgen - die Gesundheitsvorsorge sichern - die Wirtschaft ankurbeln - die Bürger wirksamer vor Verbrechen schützen - für wirksamen Umweltschutz sorgen - für gleiche Lebensbedingungen in Ost und West sorgen - das Zusammenleben mit Ausländern regeln - für sehr wichtig, eher wichtig, weniger wichtig oder für überhaupt nicht wichtig halten, soll eruiert werden, welche Wichtigkeit die Befragten dem Umweltschutz aktuell zumessen. Vorgegebene Umweltziele und -aufgaben wie z.B. „für eine Reinhaltung von Wasser, Boden und Luft sorgen - sparsamer mit Energievorräten und Rohstoffen umgehen - umweltfreundliche Produkte fördern - das Bewusstsein für eine gesunde Lebensweise stärken - einen verbesserten Umweltschutz in Entwicklungsländern fördern“ sollen die Befragten nach dem obigen Schema bewerten. Damit soll die Bedeutsamkeit einzelner Bereiche des Umweltschutzes für die Befragten eruiert werden.

Die Umwelteinstellungen der Befragten werden anhand eines Aussagenkatalogs erhoben, bei dem sie das Maß ihrer Zustimmung oder Nichtzustimmung zu den einzelnen Aussagen bekunden sollen. Es geht dabei um Aussagen wie „Derzeit ist es immer noch so, dass sich der größte Teil der Bevölkerung wenig umweltbewusst verhält. - Für jemanden wie mich ist es schwierig, viel für die Umwelt zu tun. - Es gibt Grenzen des Wachstums, die unsere industrialisierte Welt schon überschritten hat oder sehr bald erreichen wird. - Umweltschutzmaßnahmen sollten auch dann durchgezogen werden, wenn dadurch Arbeitsplätze verloren gehen. - Das meiste was Wissenschaft und Technik hervorgebracht haben, schadet der Umwelt - Wenn wir so weitermachen wie bisher, steuern wir auf eine Umweltkatastrophe zu. - Wenn ich Zeitungsberichte über Umweltprobleme lese oder entsprechende Fernsehsendungen sehe, bin ich oft empört und wütend.“

Wie die Umweltbedingungen in Deutschland wahrgenommen werden, wird mit Fragen angegangen wie „Wie würden sie insgesamt die Umweltqualität in Deutschland beurteilen? - Wie würden Sie insgesamt die Umweltqualität in Ihrer Stadt, Ihrer lokalen Gemeinde beurteilen? - Wie beurteilen Sie die Qualität des Trinkwassers, das in Ihrer Wohnung aus der Leitung kommt. - Wenn sie einmal an die letzten 12 Monate hier bei Ihnen denken, wie stark fühlen Sie sich persönlich in ihrem eigenen Wohnumfeld, von folgenden Dingen gestört oder belästigt? - Autoabgase - Straßenlärm - schlechte Luft - Lärm von Nachbarn - Fluglärm - Abgase und Abwässer von Fabriken - Industrie- und Gewerbelärm - Schienenverkehrslärm oder der Frage „Was ist nach Ihrer Einschätzung das derzeit größte Umweltproblem in Ihrer Gemeinde?“.

Die Risikowahrnehmung der Befragten sollen Fragen aufdecken wie „Wie gefährlich ist eine durch den Treibhauseffekt verursachte weltweite Klimaänderung Ihrer Meinung nach für Sie und Ihre Familie? - Wie gefährlich ist die durch Autos verursachte Luftverschmutzung Ihrer Meinung nach für Sie und Ihre Familie?“
Auf die subjektive Einschätzung der Belastung der eigenen Gesundheit und der der Nachkommen durch Umweltprobleme zielen die beiden Fragen ab: „Wie stark glauben Sie belasten Umweltprobleme Ihre Gesundheit?“ und „Wie stark werden Umweltprobleme die Gesundheit unserer Kinder und Enkelkinder belasten?“

Im Zusammenhang mit der Befragung zum persönlichen Umweltverhalten bemerkt der Autor der Studie schon selbst: „Die Messung des persönlichen Umweltverhaltens auf der Basis selbst berichteten Verhaltens ist per se problembehaftet. Ob etwa Reinigungsmittel zunehmend in Nachfüllpackungen gekauft werden, ob der Markt der Biolebensmittel wächst, oder ob Fahrradreisen im Trend liegen, ist den Statistiken der Markt- und Konsumforschung weitaus zuverlässiger zu entnehmen.

Das eigentliche methodische Problem besteht auch weniger darin, dass Befragte lügen oder sozial erwünschtes Antwortverhalten zeigen, sondern dass das Messinstrument „Befragung“ prinzipiell für solche Problemstellungen relativ ungenau ist.“ Allenfalls sind Unterschiede im Aussageverhalten unterschiedlicher soziologischer Gruppen interessant.
In der Studie wird davon ausgegangen, dass nicht umfangreiches Wissen über die Technik und ihre Gefährlichkeit sowie eine rationale Abwägung der Chancen und Risiken, die Urteilsfindung des Einzelnen bestimme. Eher lasse sich vermuten, dass es fundamentale, längerfristige Orientierungen sind, die wirksam werden. Man könne von Denkstilen sprechen, langlebigen, zumeist nicht reflektierten Grundstimmungen, die sich über einen längeren historischen Prozess in einer Kultur herausgebildet haben. Solche Denkstile würden die Wahrnehmung ebenso beeinflussen, wie deren Verarbeitung.

Deshalb wird die Zugehörigkeit der Befragten zu vier von amerikanischen Wissenschaftlern unterschiedenen Denkstilen getestet. Es geht dabei um die aus der Systemtheorie auf die Natur übertragenen Stabilitätszustände. Das stabile Gleichgewicht wird mit der Aussage „Die Natur ist strapazierfähig“, das labile Gleichgewicht mit der Aussage „Die Natur ist empfindlich“, das indifferente Gleichgewicht mit der Aussage „Die Natur ist in ihrem Verhalten nicht kalkulierbar“, unterschiedliche mögliche Gleichgewichte werden mit der Aussage „Die Natur ist in Grenzen tolerant“ gleichgesetzt.

Unterstützt durch eine symbolische Darstellung der verschiedenen Gleichgewichtszustände, soll jeder Befragte sagen, welches der Bilder und der zugehörigen Aussagen seiner Vorstellung von der Natur am ehesten entspricht. 

Seit Jahrzehnten werden immer wieder solche oberflächlichen Befragungen vorgenommen, die sich in Schlagzeilenmanier mit Epiphänomenen der Umweltproblematik beschäftigen. Die Ergebnisse sind weder für die Wissenschaft, noch für die Politik oder die Öffentlichkeit sehr nahrhaft. Um aussagekräftige Erkenntnisse über das Umweltbewusstsein der Bürger zutage zu fördern, müsste die Befragung darauf angelegt sein, herauszubekommen, wie sich die verschiedenen Aspekte der Geschichte, der Gegenwart und Zukunft der Mensch-Umwelt-Beziehung in den Köpfen der Bürger abbilden. Eine repräsentative Befragung, die eruiert,

  • was die Bürger über die Entwicklung und den gegenwärtigen Zustand der Beziehung von Mensch und Umwelt wissen und auf welchen Quellen dieses Wissen beruht,
  • welche Werthaltung die Bürger gegenüber der Umwelt haben und wie sie sie begründen,
  • wie die Bürger den Zustand der Beziehung von Mensch und Umwelt beurteilen und worauf sie ihr Urteil stützen,
  • wer nach Ansicht der Bürger für diesen Zustand verantwortlich ist und warum,
  • ob der Zustand der Beziehung von Mensch und Umwelt nach Ansicht der Bürger geändert werden sollte: wenn ja, warum und in welche Richtung, wenn nein, warum nicht,
  • ob die Bürger Naturschutz für notwendig oder überflüssig erachten und was sie unter Naturschutz verstehen,
  • was die Bürger unter nachhaltiger Nutzung der Umwelt verstehen,
  • ob die Bürger eine nachhaltige Nutzung der Umwelt für ein erstrebenswertes Ziel halten: wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht,
  • welche Änderungen im Lebensstil nach Ansicht der Bürger erforderlich wären, um eine nachhaltige Nutzung der Umwelt zu erreichen und unter welchen Bedingungen sie bereit wären, ihren Lebensstil entsprechend zu verändern,
  • ob die Bürger Veränderungen ihrer Lebensverhältnisse politisch unterstützen würden, die nach Meinung des gebündelten Sachverstands der Wissenschaftler notwendig wären, um die Beschlüsse von Rio in die Tat umzusetzen: wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht,

könnte tiefere Einblicke in das Umweltbewusstsein der Bevölkerung vermitteln.

Bei der Befragung würden dem Bürger keine Antworten zur Auswahl oder Bewertung vorgegeben. Auf eine ausführliche Begründung der vorgebrachten Meinungen und Urteile würde großer Wert gelegt.

Eine Untersuchung dieser Art wäre ein äußerst aufwendiges, wissenschaftliches Unterfangen. Um der Vielschichtigkeit der Fragestellung gerecht zu werden, bedürfte es einer Forschergruppe, in der kompetente Wissenschaftler aus den verschiedensten Disziplinen (von der Klimatologie und Ökologie über die Umweltarchäologie, -geschichte und -medizin bis zur Humanethologie, Psychologie, Soziologie und Politologie) bereit wären, interdisziplinär und nicht bloß multidisziplinär zusammenzuarbeiten. Dazu müsste sich die Forschergruppe eine gemeinsame Sichtweise der Aufgabe erarbeiten und eine allgemeinverständliche Sprache zur Darstellung der Ergebnisse finden. Das wäre ein zeitraubendes Unterfangen, weil die beteiligten Wissenschaftler erst ihre disziplinspezifischen Betrachtungsweisen und Fachsprachen überwinden müssten.

Gemessen werden könnte das Umweltbewusstsein der Probanden an dem, was der gebündelte Sachverstand der Gesellschaft an Erkenntnissen über den Zustand unserer Umwelt vorlegen kann, wie er den Zustand der Umwelt im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit beurteilt und welche Maßnahmen er für notwendig erachtet, um das angestrebte Ziel zu erreichen.